Am 18. September 2025 ist bekannt geworden, dass Papst Leo XIV. in einem Interviewband der Journalistin Elise Ann Allen verlauten lässt, dass er zwar wie sein Amtsvorgänger Papst Franziskus alle Menschen unabhängig von ihrer Identität – das heißt auch LSBTQ (lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und queere) Personen – in der römisch-katholischen Kirche willkommen heißen wolle. Jedoch macht er gleichzeitig klar, dass unter ihm mit keiner Änderung der kirchlichen Sexuallehre zu rechnen sei und er feierliche Segnungen von homosexuellen Paaren, wie sie etwa in Deutschland eingeführt worden seien, ablehne.
Das Katholische LSBT+ Komitee ist schockiert und enttäuscht angesichts dieser Aussagen des neuen Papstes. Es fordert die kirchlichen Verantwortlichen in Deutschland dazu auf, nicht einzuknicken, sondern den synodalen Reformweg weiter zu beschreiten und offensiv den Dialog mit Rom zu suchen.
Sera Renée Zentiks, Co-Sprecherin des Katholischen LSBT+ Komitees, führt dazu aus: „Papst Leo sendet ein fatales Signal, da er den von Papst Franziskus vorsichtig begonnenen Reformweg der katholischen Kirche offenbar nicht fortführen möchte. Das sogenannte Willkommenheißen von LSBTQ Personen wird ad absurdum geführt, wenn die queerfeindliche Lehre der katholischen Kirche ohne Aussicht auf Änderung fortbesteht und queeren Paaren ein Segen ihrer Partnerschaft in angemessenem Rahmen verwehrt wird. Willkommen geheißen fühlen sich queere Menschen angesichts solcher Aussichten eben nicht. Ganz im Gegenteil: Hier wird erneut Ausgrenzung und Diskriminierung reproduziert, was einer Jesus Christus nachfolgenden Glaubensgemeinschaft nicht würdig ist.“
Papst Leo kritisiert, dass die in einigen Ländern eingeführten kirchlichen Segensfeiern gegen das von Papst Franziskus genehmigte Dokument ‚Fiducia supplicans‘ verstießen. Markus Gutfleisch, Co-Sprecher des katholischen LSBT+ Komitees, erwidert darauf: „Papst Leo sollte der katholischen Kirche in Deutschland dankbar für das sein, was
sie in Sachen Segnungen theologisch und praktisch für die Seelsorge in den vergangenen Jahren vollbracht hat – und zwar mit tatkräftiger Unterstützung und Expertise queerer Gruppen. Stattdessen löst er nun Unsicherheit aus bei Seelsorgenden und bei Paaren, die ihre Liebe unter Gottes Segen stellen möchten. Anstatt engherzig auf eine teils überholte Lehre zu verweisen, sollte Papst Leo ebendiese Sexuallehre, die schon so viel Unheil im Leben und Glauben von queeren Menschen angerichtet hat, endlich reformieren. Dann würden queere Menschen ihm und der Kirche den im Interview geäußerten Respekt auch abkaufen. Ohne Wandel und konkrete Taten wirkt das behauptete Willkommenheißen queerer Menschen scheinheilig. Darum muss die katholische Kirche in Deutschland ihren mutigen Reformweg unbeirrt weiter beschreiten. Und wenn es nötig ist, müssen wir auch pastoralen Ungehorsam an den Tag legen, um die Frohe Botschaft für alle Gläubigen und liebenden Paare unabhängig von sexueller oder geschlechtlicher Identität erlebbar zu machen.“
Markus Gutfleisch weiter: „Was uns ganz wichtig ist: Segnungen von Paaren, die sich lieben, dürfen nicht zu einer Art Mitleidsbekundung verkommen. Zwar kann Fiducia supplicans als kleiner Fortschritt gewertet werden, da seitens des Vatikans in diesem Dokument erstmals die grundsätzliche Möglichkeit, queere Paare zu segnen, offiziell anerkannt wurde. Jedoch fühlen sich queere Paare nicht ernst genommen – wenn nicht gar verhöhnt – von einem Segen, der laut Fiducia supplicans nur spontan im Vorbeigehen stattfinden, nur einige Sekunden dauern, und der das Paar an seine angebliche Sündigkeit erinnern soll.“
Hendrik Johannemann, Co-Sprecher des Katholischen LSBT+ Komitees, kommentiert die angebliche Polarisierung, die LSBTQ-Themen laut Papst Leo mit sich brächten: „Gerade in Zeiten, in denen queere Menschen, insbesondere trans* Personen, etwa in den USA, aber auch in Deutschland und andernorts von vermehrter Ausgrenzung und krassen Anfeindungen betroffen sind, sind Papst Leos Aussagen über eine angebliche „Obsession“ rund um das Thema Sexualität fatal. Papst Leo macht es sich allzu leicht, wenn er queeren Menschen eine Polarisierung anzukreiden versucht, für die in Wirklichkeit gerade diejenigen innerkirchlichen und politischen Kräfte verantwortlich sind, die die Gleichberechtigung und gleiche Würde aller Menschen vor Gott ablehnen. Er stellt sich leider nicht an die Seite der Verfolgten und Ausgegrenzten, so wie es Jesus ohne Zweifel getan hätte.“
Johannemann weiter: „Das Katholische LSBT+ Komitee wird seinen Kampf für eine Kirche, in der queere Menschen ihren Glauben in Fülle und unbeschadet leben können, unbeirrt fortsetzen. Wir appellieren an Papst Leo, den offenen Dialog mit queeren Gläubigen zu suchen statt sie für eine Polarisierung verantwortlich zu machen, die nur diejenigen für sich zu nutzen wissen, die die katholische Queerfeindlichkeit weiter befeuern wollen. Wir rufen Papst Leo dazu auf, endlich die längst überfällige Weiterentwicklung der kirchlichen Sexuallehre auf Basis von gut belegten theologischen und humanwissenschaftlichen Gründen anzugehen. Nur so kann
unsere katholische Kirche – nicht nur mit Blick auf ihren Umgang mit queeren Menschen, sondern gerade auch bezogen auf die furchtbaren Taten sexualisierter Gewalt und deren Vertuschung – ihrem dramatischen Glaubwürdigkeitsverlust etwas entgegensetzen.“