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Kommentar: Ein Bistum in (Un-)Ruhe: Proteste gegen die Verleihung des Josef-Pieper-Preises an Bischof Barron in Münster – Rückblick

Wer war Josef Pieper? Und who ist Bishop Barron? Bis März 2025 wussten das im katholischen Münster ebenso wenige wie im Rest Deutschlands. Spätestens am 18.03.25 änderte sich das. Katholisch.de schrieb: „Nicht canceln, sondern einbinden. Nach Kritik: Akademie-Direktor verteidigt Tagung mit US-Bischof Barron“.

Wenige Tage zuvor, am 09.03.25, hatte Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch von Bischof Felix Genn angenommen. Übergangsweise leitet der Domkapitular und Stellvertretende Generalvikar Antonius Hamers das Bistum. Vermutlich ist Genn froh, dass ihm am Ende seiner Amtszeit ein Konflikt dieser Größenordnung erspart geblieben ist. Zu Hamers kommen wir später.

Durch die Berichterstattung insbesondere bei https://www.kirche-und-leben.de/ wurde bekannt, dass die Josef-Pieper-Stiftung unter dem Motto „Man muss doch sich zu Wort melden!“ – Wege der Glaubensverkündigung heute“ den US-Bischof Barron auszeichnen und aus diesem Anlass zu einem Symposion in der Bistumsakademie und zu einem Pontifikalamt einladen würde.

Josef Pieper (1904-1997) war Professor für Philosophische Anthropologie in Münster. Er nahm Gastprofessuren in den USA und Kanada wahr; seine Werke erlebten eine Auflage von 1,5 Millionen Exemplaren, was für philosophische Schriften beachtlich ist. Pieper pflegte persönliche Kontakte u.a. zu katholischen Theologen wie Romano Guardini, Hans Urs von Balthasar, Karol Wojtyla und Josef Ratzinger.

Robert Barron, Bischof von Winona-Rochester, hat die Amtseinführung von US Präsident Trump, an der er teilgenommen hat, bejubelt und dessen Maßnahmen gegen trans* Jugendliche begrüßt. Mit seinen Veröffentlichungen auf X und bei https://www.wordonfire.org/ gilt er als moderner Missionar mit zahlreichen Followern in der amerikanischen Internet-Community. Er ist Teil einer Kommission für „Religionsfreiheit“, die Trump einsetzte. Diese Kommission bildet nicht alle Religionen/Konfessionen ab; sie wird kritisch gesehen, weil die Sorge besteht, dass sie den direkten Einfluss christlicher Strömungen auf die Politik der Vereinigten Staaten fördern soll. Dazu zählen auch evangelikale und konservative bis rechtskatholische Kreise. Barron denkt öffentlich darüber nach, ob Homosexualität und gay marriage gut seien. Er kritisiert deutsche Bischöfe, die sich u.a. bei der Weltsynode für eine Weiterentwicklung der Sexuallehre einsetzen, hält wie das Lehrschreiben „Dignitas Infinita“ von Papst Franziskus aus dem Jahr 2024 an der Zweigeschlechtlichkeit fest.

Publik Forum schreibt über ihn: „Um Belege für Barrons Nähe zu Trump zu finden, muss man genauer hinsehen. Seine vielen Videos geben diese Interpretation auf den ersten Blick nicht her – auf Youtube zeigt er sich als eine Art beflissener Reli-Lehrer mit Hang zum Konservatismus und einem Hochglanz-Video-Produktionsteam im Hintergrund.“ (https://www.publik forum.de/)

Bischof Robert Barron übte nach den Protesten gegen seine Auszeichnung mit dem Josef-Pieper-Preis scharfe Kritik an deutschen Theologen. In einem Blogbeitrag schrieb er: „Früher blickten amerikanische Theologiestudierende voller Respekt nach Deutschland; heute würde ich ihnen raten, anderswo Inspiration zu suchen.“

Die Stiftung verleiht alle fünf Jahre den Preis. Prof. Dr. Berthold Wald vom Stiftungsvorstand schreibt über Barron: „Sein ganzes theologisches Denken und Handeln steht unter der Prämisse, die Befangenheit und Engführung einer liberalen Theologie zu überwinden, unbeeindruckt von aller Polemik und ganz ohne Sehnsucht nach einer Rückkehr vor das Zweite Vatikanische Konzil. Aufgewachsen in einer Kirche, die mit sich selbst im Streit liegt über Fragen der Sexualität und Autorität, vertraut er auf das Licht und die Leuchtkraft des Glaubens von seiner Mitte her.“ https://josef-pieper-stiftung.org/robert-barron und-josef-pieper/

Der Wiener Alttestamentler Prof. Dr. Ludger Schwienhorst-Schönberger führte beim Symposion ein sehr wohlwollendes „Interview“ mit Barron. Er hatte 2022 als theologischer Gutachter im Prozess gegen Olaf Latzel dem Landgericht Bremen dargelegt, dass umstrittene Aussagen des Bremer Pastors zu Homosexualität eine biblische Grundlage hätten.

Bischof Stefan Oster aus Passau war Zelebrant und Laudator der Preisverleihung. Seine Laudatio findet sich hier:
https://www.wordonfire.org/ Bischof Oster träumt möglicherweise von den Klickzahlen Barrons.

Die Theologische Fakultät Münster verfasste eine Kritische Stellungnahme https://www.uni-muenster.de/ und lud den US-Theologen Prof. Massimo Faggioli zu einem Gastvortrag ein. Faggioli, Prof. für Historische Theologie, der von Barron mit einer Klage bedroht wurde, ist eine Gegenstimme zum ebenso finanzstarken wie einflussreichen US Rechtskatholizismus, als dessen sichtbarster Vertreter der 2019 konvertierte US-Vizepräsident J. D. Vance gilt.

Die Bistumsakademie Franz-Hitze-Haus stand besonders in der Kritik. Sie betonte, es handele sich nicht um eine Veranstaltung der Akademie, sondern um eine Gastveranstaltung. Der Direktor, Johannes Sabel, sagt, er teile die Ansichten Barrons nicht, habe aber zu wenig Argumente, die Gastveranstaltung abzusagen. Ein Gespräch mit queeren Vertreter:innen verlief zäh. Die Positionen von Barron befänden sich auf dem Boden der römisch-katholischen Lehre und des Katechismus. Weder die HuK noch das Netzwerk katholischer Lesben mochten auf die Schnelle eine Zusammenarbeit mit dem Franz-Hitze-Haus eingehen, zumal völlig unklar war, wie das aussehen könnte. Das Programm der Bistumsakademie zu queeren Themen war bisher sehr überschaubar.

Immerhin organisierte die Akademie sehr kurzfristig die OutinChurch Ausstellung mit einer gut besuchten Eröffnungsveranstaltung und einen Online Vortrag mit der deutschen Theologin und Ethikerin Hille Haker, die in Chicago lehrt („USA: Präsident von Gottes Gnaden. Rechtskatholizismus, Kulturkampf und christlicher Nationalismus“).

Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (Theologin, Heiligenkreuz) hielt beim Symposium einen Vortrag. Sie war ehemals von den deutschen Bischöfen in den Synodalen Weg entsandt, den sie verließ.

Zum Gottesdienst durften nur Menschen mit Einladungskarte. Medien wie WDR und dpa und auch die Kirchenzeitung waren weder zum Gottesdienst noch zur Preisverleihung zugelassen. Die Stiftung beantwortete zahlreiche Medienanfragen nicht. Symposion, Pontifikalamt und Preisverleihung wurden von Sender K-TV übertragen – alles kann man dort nachschauen. Angeblich durfte während des Symposions nicht mal die Leitung des Franz-Hitze-Hauses den Veranstaltungsraum betreten.

Andere kirchliche Personen hielten sich sehr bedeckt – vielleicht möchten einige noch Diözesanbischof werden.

Zu den wenigen Vertreter:innen, die sich äußerten, zählte Stadtdechant Ulrich Messing: „Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, in den Gottesdienst zu gehen. Ich möchte bewusst hier draußen stehen, mit den Menschen, die gegen Bischof Barron demonstrieren.“ Bruder Laurentius Wenk, Leiter der Kapuziner Münster nahm in Ordenskleidung an der Mahnwache teil.

Im Juli organisierten die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche und das Katholische LSBT+ Komitee gemeinsam mit sechs katholischen Verbänden im Bistum und den Grünen einen bunten Protest mit Mahnwache vor der Überwasserkirche Münster – ein Zeichen für Solidarität der queeren und kirchlichen Basis. Schon im Frühjahr hatte sich das Diözesankomitee Münster, die Vertretung der Laien und Organisationen in Kirche und Gesellschaft, kritisch zur Preisvergabe geäußert. Die breite Öffentlichkeit in Kirche und Stadt bekam von den Kontroversen nicht allzu viel mit. An der Mahnwache beteiligten sich rund 60 Personen; bei Symposion, Pontifikalamt und Preisverleihung dürften 150 Personen gewesen sein.

Diözesanadministrator Antonius Hamers, die aktuelle Bistumsleitung, verteidigte dagegen, dass der US-Bischof in Gebäuden des Bistums auftreten darf. „Wir stehen innerhalb der katholischen Kirche für Meinungsfreiheit, wir mögen es wenn der Meinungsdiskurs geführt wird, unterschiedliche Meinungen müssen auch ertragen werden.“ https://www.deutschlandfunk.de/ Hamers nahm am Gottesdienst und der Preisverleihung teil.

Resümee

Die Akademie will die Frage, wie angemessene Diskussionen bei polarisierenden, emotional aufgeladenen Themen kirchlich und gesellschaftlich produktiv und zum Wohle aller geführt werden können, weiterverfolgen. Man wird sehen, ob das bei queeren Themen gelingt – bisher kamen die im Veranstaltungsprogramm nur wenig vor.

Sicher ist es nur bedingt gelungen, die schwierige theologische Thematik in die breite Öffentlichkeit (kirchlich und Stadtgesellschaft) zu tragen. An der Mahnwache haben sich rund 60 Personen beteiligt. Bei Symposion, Pontifikalamt und Preisverleihung dürfen 150 Personen gewesen sein. Es handelte sich um ein kirchenpolitisch bedeutsames Ereignis, welches einerseits nur selten auftritt und Teile des Bistums durchaus polarisiert hat.

Keine Person, keine Institution hat es geschafft, in dieser polarisierten Situation Brücken zu bauen. Schlaglichtartig wurden eine kirchenpolitische Differenz, Machtverhältnisse und ein völlig unterschiedliches Verständnis von katholischer Kirche deutlich. Man kann nur hoffen, dass der nächste Diözesanbischof sensibilisiert und dialogfähig ist, dass er mutig und beherzt agiert.

Wer – außer den Verbänden – hätte hier Flagge zeigen können oder hat es tatsächlich getan?

Wenige Wochen nach der Preisverleihung fand eine transfeindliche Demo vor der Uniklinik Münster statt: https://www.queer.de/ – in Rufweite zur Katholischen Akademie. Queere Menschen werden sich auch
künftig solidarische Unterstützung bei kirchlichen Verbänden suchen müssen.

Markus Gutfleisch